Meeresströmungen: Schnittstellen der Klimaveränderungen im Ozean
- roschlau
- 24. Feb.
- 5 Min. Lesezeit
Wärme, Salzgehalt und Nährstoffe werden über Meeresströmungen quer durch die Ozeane der Welt transportiert. Ihre Bedeutung auf das Wetter in der Welt ist sowohl direkt als auch indirekt.
Ein Beispiel ist der Golfstrom. Er transportiert warmes Wasser aus den Tropen in höhere Breitengrade und bringt im Gegenstrom kühleres Wasser aus den polaren Regionen zurück. Dieser Wärmetransport beeinflusst das Wetter und das Klima mehrerer Regionen der Erde, insbesondere Europa.
Eine Veränderung der Meeresströmungen kann dazu führen, dass bestimmte Gebiete kälter oder wärmer werden als üblich. Beispiele dafür sind die beiden wiederkehrenden Veränderungen El Niño und La Niña.
Was sind El Niño und La Niña?
El Niño bezeichnet die warme Phase eines 2- bis 7-jährigen Zyklus im östlichen und zentralen tropischen Pazifik. Die im Gegensatz dazu kalte Phase wird mit La Niña bezeichnet.
Von derartigen Ereignissen spricht man, wenn das Oberflächenwasser im zentralen Pazifik für drei aufeinanderfolgende Monate im Durchschnitt 0,5°C über bzw. unter dem langjährigen Mittel liegt.
Bei einem El Niño drehen sich die Strömungsverhältnisse buchstäblich um. Zuerst kühlt sich der Pazifik in Asien und Ozeanien ab. Dagegen wird er in Südamerika deutlich wärmer. Auch der Luftdruckgegensatz ändert sich. Der Wind schwächt sich ab oder kehrt sich ganz um. Das Wetter steht buchstäblich Kopf.
Nach dem langsamen Nachlassen von El Niño folgt nach einer kurzen Phase des Gleichgewichts meist La Niña. Dabei treten die Merkmale des Normalzustands verstärkt auf: Der Pazifik in Asien und Ozeanien ist besonders warm. Der Luftdruckunterschied zwischen Ost und West ist hoch und die Passatwinde werden angetrieben.
Den Wechsel von El Niño und La Niña kann man sich vorstellen wie eine Badewanne, wenn das Wasser von einer Seite zur anderen schwappt – bis es sich irgendwann wieder einpendelt
sagte Andrew Hoell von der US-Wetterbehörde NOAA dazu in einem GEO-Interview.
Die Zeitzyklen der beiden Phänomene haben eine gewisse Regelmäßigkeit - und doch unterliegen diese einer deutlichen Veränderung: Forscherinnen und Forscher auf der ganzen Welt beobachten, dass beide Ereignisse durch die Erderwärmung häufiger und stärker werden.
Störung von Strömungen durch den Klimawandel
Der Klimawandel gilt als möglicher Verursacher einer Destabilisierung von Meeresströmungen. Ein Grund dafür ist insbesondere die Erwärmung des Oberflächenwassers der Meere.
Auch das Abschmelzen von großen Eisflächen gilt als Grund für Veränderungen der Meeresströmungen. Strömungsmuster verändern sich, wenn kaltes Süßwasser aus den Polregionen in die Ozeane gelangt. Ein mögliches Beispiel ist der vermutete Schwächezustand des Golfstroms. Dieser könnte zu einem deutlichen Klimawechsel in Nordwesteuropa führen.
Veränderungen der Atlantikzirkulation
Eine neue Studie der Universität Bern und der Woods Hole Oceanographic Institution in den USA kommt zu dem überraschenden Schluss, dass sich die Ozeanzirkulation im Nordatlantik, zu der auch der Golfstrom gehört, in den vergangenen 60 Jahren nicht abgeschwächt hat. Diese Ergebnisse widersprechen bisherigen Annahmen.
Seit Jahren wird in der Klimawissenschaft diskutiert, ob und wie sich die atlantische Zirkulation (Atlantic Meridional Overturning Circulation, abgekürzt AMOC) als Folge des Klimawandels bereits abgeschwächt hat. Die Problematik der Wissenschaft liegt in der Tatsache, dass direkte Beobachtungen erst seit 20 Jahren verfügbar sind.
Eine neue Studie, die im Fachmagazin Nature Communications erschienen ist, liefert einen neuen Beitrag zu dieser Debatte. Unter der Leitung von Dr. Jens Terhaar von der Abteilung für Klima- und Umweltphysik des Physikalischen Instituts der Universität Bern hat das Forschungsteam einen neuen methodischen Ansatz mit Hilfe von 24 Erdsystemmodellen und mit Beobachtungen des Wärmeflusses zwischen Ozean und Atmosphäre im Nordatlantik entwickelt und ist dabei zu überraschenden Ergebnissen gekommen.
Frühere Studien relativiert – aber keine Entwarnung
Wir haben uns gefragt, wie stabil die AMOC ist und ob sie sich bereits abgeschwächt hat
sagte der Hauptautor Terhaar bei der Vorstellung der Studie.
Diese kommt zu dem Ergebnis, dass eine Abschwächung der AMOC zwischen 1963 und 2017 nicht feststellbar sei.
Unsere Rekonstruktionen zeigen zwar eine erhebliche Variabilität, aber ein klarer Trend lässt sich nicht feststellen
erklärt der Berner Spezialist für Ozeanmodellierungen, der auch Mitglied des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung an der Universität Bern ist.
Diese Erkenntnis relativiert Studien, die von den Medien in jüngster Zeit viel zitiert wurden, wonach sich die atlantische Zirkulation in den letzten Jahrzenten abgeschwächt habe.
Mit Blick auf den zukünftigen Klimawandel und seine Folgen sei eine Entwarnung aber nicht angebracht, so Terhaar. Dadurch dass die AMOC bis jetzt stabil war, sei es zwar unwahrscheinlicher, dass die Ozeanzirkulation in nächster Zeit kippen werde, doch werde die AMOC durch den Klimawandel mit Sicherheit abgeschwächt.
Es ist jedoch weiter höchst unsicher, wie gross diese Abschwächung sein wird und mit welchen Folgen in Zukunft gerechnet werden muss.
Frühere Rekonstruktionen der Stärke der atlantischen Zirkulation in der Vergangenheit beruhten vor allem auf Anomalien der Meeresoberflächentemperatur im Nordatlantik.
Die neuen Modellierungen zeigen nun aber, dass sich die AMOC mit Hilfe von Temperaturanomalien nicht zuverlässig rekonstruieren lässt. Dadurch sind auch Schlussfolgerungen aus so erstellten Rekonstruktionen nicht robust, da
Temperaturanomalien im Nordatlantik nicht nur durch die AMOC beeinflusst werden, sondern auch durch andere Prozesse in Ozean und Atmosphäre.
Verbesserte Methodik
Die in der Studie genutzte neue Rekonstruktion verwendet als Indikatoren für Veränderungen der AMOC an Stelle der Temperaturanomalien im Nordatlantik die Anomalien des Wärmeflusses zwischen Luft und Meer.
Dabei zeigt sich, dass die Abweichungen des Wärmeflusses zwischen Luft und Meer eng mit jenen der AMOC verbunden sind. Wenn die AMOC stärker wird, transportiert sie mehr Wärme nach Norden, die der Ozean dann in die Atmosphäre abgibt. Wird die AMOC jedoch schwächer, wird weniger Wärme nach Norden transportiert und der Ozean nimmt mehr Wärme auf.
Die Beziehung zwischen den beiden Anomalien basiert auf dem Konzept der Wärmeerhaltung im Nordatlantik.
Zwar seien die Rekonstruktionen der neuen Studie robuster als die vorangehenden, aber sie enthielten ebenfalls mit «Einschränkungen und Vorbehalten».
Am wichtigsten dabei sind Unsicherheiten in Bezug auf die Schätzung der Wärmeflüsse zwischen Luft und Meer anhand von Beobachtungen sowie der Umstand, dass die Klimamodelle nicht alle Prozesse abbilden, welche die AMOC beeinflussen.
Einer dieser Einflüsse ist der Eintrag von Süsswasser, das durch das Abschmelzen der grönländischen und antarktischen Eisschilde in den Ozean gelangt. Dies schaffe Unsicherheiten bei den rekonstruierten Zirkulationsveränderungen.
Grundsätzlich fasst die Studie zusammen, dass ein Rückgang der AMOC in den letzten 60 Jahren sehr unwahrscheinlich scheint.
Versuch eines Fazits
Gegensätze der Studien zu AMOC, aber auch zur Frequenz und Stärke von bestimmten kalten und warmen Strömungsphasen wie El Nino und La Nina zeigen, dass die Klimawissenschaft noch auf der Suche nach endgültigen und schlüssigen Antworten zu den Folgen der Veränderungen der Meeresströmungen ist.
Dieser Artikel kann daher nur das Ziel haben, über die besondere Bedeutung von Meeresströmungen im Zusammenhang mit den Klimaveränderungen zu informieren.
Weitere Studien in der Zukunft werden hoffentlich zu klaren Antworten bei der Interpretation dieser Veränderungen führen.
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