Die AfD thematisch stellen - Teil 4: Innere Sicherheit und Justiz
- roschlau
- 12. Jan. 2024
- 6 Min. Lesezeit
Für die Betrachtung des vierten Teils meiner thematischen Auseinandersetzung habe ich das Thema der inneren Sicherheit und des Justizsystems ausgewählt. Auch dort werden in die perfiden Absichten der AfD erkennbar, mit denen unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Sicherheitspolitik in Teilen große Rückschritte erfolgen würden. Wie alle anderen Themen sind die Inhalte geschickt formuliert. Alle AfD-Aussagen habe ich in blauer Schrift dargestellt. Ich beginne dem Grundsatzprogramm von 2022 folgend mit der AfD-Aussage
Wir wollen den Rechtsstaat stärken und dem Recht wieder zu einer konsequenten Durchsetzung verhelfen. Die AfD fordert daher einen „sicherheitspolitischen Befreiungsschlag“, um den Schutz der Bürger an erste Stelle zu setzen.
Es ist sehr mutig, dass eine Partei, die sich mit ihren faschistischen Aussagen und ihren Reden eindeutig gegen den Rechtsstatt stellt, dessen Stärkung fordert. Die AfD beugt den heutigen Rechtsstaat nahezu täglich! Ja, es ist richtig einen stärkeren Rechtstaat zu fordern und die Durchsetzung des Rechts auch umzusetzen, was aber gleichbedeutend mit der konsequenten Rechtsverfolgung von faschistischen Straftaten, der permanenten Volksverhetzung, dem Tragen und dem Zeigen verbotener nationalsozialistischer Symbole, u.v.a.m. einhergeht.
Übrigens: es gibt neben dem dominierenden rechten Faschismus auch einen linken „Bruder“ dieser Einstellung.
Bei dem Begriff des „sicherheitspolitischen Befreiungsschlags“ sträuben sich mir die Nackenhaare. Der Begriff wird nicht näher erklärt. Die nationalsozialistische Schutzstaffel SS hatte zu Beginn ihrer Tätigkeit im Jahr 1934 die Kontrolle über das gesamte Polizeiwesen und war damit ebenfalls ein sicherheitspolitischer Befreiungsschlag mit dem vermeintlichen Ziel des Schutzes der Bürger. Was daraus wurde, zeigt uns die Geschichte nach 1934.
Der nächste Abschnitt beschäftigt sich mit der Stärkung der Polizei und einer Verbesserung der Strafjustiz:
Wir wollen die Polizei und Justiz stärken, um sie in die Lage zu versetzen, Verbrechen effektiver zu bekämpfen. Vor dem Hintergrund der steigenden Brutalität jugendlicher Krimineller ist auf volljährige Täter das Erwachsenenstrafrecht anzuwenden und das Strafmündigkeitsalter auf zwölf Jahre zu senken.
Eine Stärkung der Polizei ist kein reines AfD-Thema, sondern wird nahezu von allen demokratischen Parteien gefordert. Dieses Thema verfolgen sowohl Landesregierungen als auch das Ministerium des Inneren, dem die Bundespolizei untersteht. Die AfD knallt ihre Forderung ohne Bezug auf unsere föderalistische Struktur auf den Tisch.
Bezeichnend ist der Bezug zu der steigenden Brutalität jugendlicher Krimineller. Dieses Thema wurde dankbar auch vom CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz aufgenommen und sehr direkt auf die eigentliche AfD-Zielgruppe projiziert, also die jugendlichen Kriminellen mit Migrationshintergrund. Geschickt vermeidet die AfD bei dieser Forderung jeden Bezug auf das Thema Migration, betont aber in Reden und Publikationen sehr wohl ihre eigentliche Intention.
Die statistischen Zahlen zu Straftaten von 2022 zeigen eine starke Zunahme von Straftaten von Kindern unter 14 Jahren (was die Forderung nach einer Absenkung des Strafmündigkeitsalters erklärt). In der Gruppe der Heranwachsenden von 18 bis unter 21 Jahren nahmen die Straftaten ab. Insofern malt die AfD ein Bild, dem zumindest in einem Teil die Substanz fehlt.
Die Statistik dazu: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1243155/umfrage/straftatverdaechtige-kinder-und-jugendliche-in-deutschland/
Auch von Interesse ist die Statistik aller Straftaten seit 1991 bis 2022: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/197/umfrage/straftaten-in-deutschland-seit-1997/
Eine unverschämte und inhaltlich falsche Forderung baut die AfD mit ihrer Aussage zu weisungsfreien Staatsanwälten und unabhängigen Richtern in ihr Grundsatzprogramm ein. Sie deutet damit an, dass Staatsanwälte und Richter grundsätzlich von politischen Weisungen abhängig sind. Die AfD will
…die Einflussnahme der politischen Parteien auf das Ernennen von Richtern und Staatsanwälten beenden. Wir unterstützen den Modellvorschlag des Deutschen Richterbundes, einen Justizwahlausschuss und einen Justizverwaltungsrat einzurichten.
Unser beispielhaftes Recht basiert auf einer unabhängigen Justiz, die sich nur an Strafrecht und Zivilrecht unserer Gesetzgebung orientiert. Mit ihrer Forderung will die AfD genau diese Unabhängigkeit abschaffen.
Ein Punkt bei den AfD-Themen der inneren Sicherheit, dem ich ebenso zustimme, wie alle demokratischen Parteien in Deutschland, betrifft Angriffe auf Amtspersonen, die härter bestraft werden sollen (und müssen): Wer Polizeibeamte, Feuerwehrangehörige und sonstige Rettungskräfte angreift, soll mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten bestraft werden. Hierzu sehen wir auch einen neuen Straftatbestand als erforderlich an, der Polizisten auch dann vor Angriffen besonders schützt, wenn diese Angriffe anlasslos erfolgen.
Auch hier übersieht die AfD, dass ihre Klientel bei allen Demonstrationen zu den verschiedensten Themen z.B. aus den Gebieten Migration, Proteste gegen unsere Demokratie, Demonstrationen für einen Systemwechsel in Deutschland, etc. genau zu denjenigen gehört, die Polizei- und Rettungskräfte angreifen. Die Forderung selbst ist berechtigt.
Eine ebenfalls von anderen Parteien bediente Aussage der AfD widmet sich dem Opferschutz statt dem Täterschutz. Wenn man sich den nachfolgenden Text kurz durchliest, wird man auf den ersten Blick und unter der Berücksichtigung einiger spektakulärer Straftaten mit Todesfolgen der AfD-Forderung zustimmen. Aber auch hier gilt: mehrmals lesen hilft!
Straftäter, von denen erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen, müssen auch und gerade dann sicher verwahrt werden, wenn sie psychisch krank, drogen- oder alkoholabhängig sind. Lockerungen und Urlaube im Strafvollzug dürfen nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft möglich sein. Ausländische Straftäter müssen viel schneller als bisher abgeschoben werden.
Diese Stammtischaussage ist genau das, wofür die AfD steht: Populismus in Reinkultur. Wann und von wem gehen also erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit aus? Die Dunkelziffer von drogen- und alkoholabhängigen Menschen ist hoch. Auch eine psychische Erkrankung ist oft nicht als solche diagnostiziert.
Knapp 30 Prozent der Erwachsenen in Deutschland haben bereits Erfahrungen mit illegalen Drogen gesammelt. Unter den 18- bis 25-Jährigen ist es sogar fast jeder Zweite. Am häufigsten problematisch ist dabei der Konsum von Alkohol, Opioiden und Cannabis. In der ambulanten und stationären Suchtbehandlung bilden Konsumenten dieser Substanzen in der Regel die größten Hauptdiagnosegruppen. Mit rund 63 Prozent in der stationären und knapp 50 Prozent in der ambulanten Suchthilfe sind Störungen aufgrund von Alkoholkonsum dabei die mit Abstand häufigste Hauptdiagnose.
Also: wohin mit all den Menschen, von denen potenziell erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen?
Die Lockerungen und Urlaub im Strafvollzug erfolgen durch die JVA-Leitungen. Eine Forderung nach Übergabe an die Staatsanwaltschaft würde ein bürokratisches Monster schaffen, da die Entscheidung dann einer Justizbehörde obliegt, die den betroffenen Menschen, der in den Genuss von Lockerung oder Urlaub kommt, nicht kennt. Auch diese Forderung ist auf den zweiten Blick völlig realitätsfremd.
Die Forderung einer schnelleren Abschiebung ausländischer Straftäter überrascht nicht und ist keine „AfD-Exklusivität“. In unserem Rechtssystem sind die Kriterien bereits definiert, und zwar im Aufenthaltsgesetz §53: https://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/__53.html
Das Waffenrecht spielt bei der AfD eine besondere Rolle, da sie vermutlicher voller Neid in das Waffen-Eldorado USA schielt. So schreibt die AfD:
Die AfD widersetzt sich jeder Einschränkung von Bürgerrechten durch eine Verschärfung des Waffenrechts. Die Kriminalisierung von Waffenbesitz schreckt Täter nicht ab, sondern macht Opfer wehrloser.
Dieser Satz könnte an die Kernaussage der US-amerikanischen National Rifle Association der USA angelehnt sein. Diese besteht auf dem … garantiert individuellen Recht aller US-Bürger auf Erwerb, Besitz, Tragen, Transport, Weitergabe und legitimen Gebrauch von Waffen, damit sie jederzeit ihre legitimen individuellen Rechte zur Selbsterhaltung und Verteidigung ihrer Familie, Person und ihres Eigentums ausüben und ebenso in einer angemessenen Miliz der allgemeinen Verteidigung der Republik und individuellen Freiheit ihrer Bürger dienen können.
Ob man dazu in den USA oder in Deutschland die Opfer von Straftaten unter Verwendung von Waffengewalt angehört hat?
Eine Verschärfung des Waffenrechts (für Stich- und Schusswaffen) ist Opferschutz. Hat die AfD nicht in ihrer Forderung zu verstärktem Opferschutz genau das gefordert? Und nun eine Ablehnung eines verschärften Waffenrechts. Die AfD bedient eben alle Facetten – und Bevölkerungsschichten – nach Belieben.
Die organisierte Kriminalität will die AfD nachhaltig bekämpfen. Auch dieser Forderung, die sehr knapp formuliert ist, stimme ich, wie auch alle demokratischen Parteien unseres Landes zu, die genau das bereits umsetzen, wenn auch etwas spät:
Die organisierte Kriminalität muss nachhaltiger bekämpft werden. Dazu gehört, Gewinne aus Straftaten umfangreicher abzuschöpfen und die bereits bestehenden rechtlichen Instrumente des Verfalls und der Einziehung besser zu nutzen.
Die entsprechende Strategie des Bundesministerium des Inneren: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2022/Strategie-OK.pdf?__blob=publicationFile&v=6
Mit dem letzten Punkt entlarvt die AfD ihre gesamten Absichten bei Thema der inneren Sicherheit: Deutsche Grenzen müssen wieder (besser oder generell) geschützt werden!
Die Alternative für Deutschland betrachtet den bloßen Schutz der europäischen Außengrenzen als unzureichend und fordert den Aufbau eines flächendeckenden deutschen Grenzschutzes unter dem Dach der Bundespolizei. An Deutschlands Außengrenzen sollen wieder betriebsbereite Grenzübergangsstellen bereitstehen.
Die AfD bedient mit beiden Aussagen erneut viele Stammtischparolen. Die EU arbeitet bereits seit Jahren an einer Verbesserung des Schutzes der europäischen Außengrenzen, was aber die AfD als unzureichend bezeichnet.
Ihre Forderung nach einem flächendeckenden deutschen Grenzschutz deckt sich mit ihrer Ablehnung und ihrem Misstrauen gegen die EU, der sie eine Lösung beim Schutz der Außengrenzen nicht zutraut. Die EU arbeitet sehr wohl an Lösungen für genau dieses Thema. Hier der Stand der Dinge: https://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/153/schutz-der-eu-au%C3%9Fengrenzen
Für Deutschlands Außengrenzen bedeutet die AfD-Forderung ein Ende der Reisefreiheit und eine Rückkehr zu Grenzkontrollen. Es gibt an den deutschen Außengrenzen bereits mobile Teams der Bundespolizei, die Züge, Flüge und den PKW-Grenzverkehr in Bezug auf illegale Einreise kontrollieren.
Diese Methode, aber auch die Wiedereinrichtung von Grenzübergangsstellen sind keine komplett wirksamen Methoden zur Verhinderung illegaler Einreisen. Hier bedient sich die AfD eines Vokabulars der vermeintlichen Verringerung illegaler Migration durch eine Rückkehr zu einem abgeschotteten Deutschland.
Hier erhebt sich die Frage nach der nächsten Stufe. Wäre diese dann Grenzzäune, wie zwischen der Türkei und Griechenland mit geplanten und teilweise schon vorhandenen 192km Länge, zwischen Ungarn und Serbien mit bestehenden 175km Länge oder zwischen Mexico und den USA mit 3.145 km Landesgrenze? Übrigens: Deutschland hat 3.900km Außengrenzen, also einiges an Potential für Grenzzäune für einen besseren Schutz.
Die AfD formuliert auch im Themenbereich „Innere Sicherheit“ sehr geschickt kurze, populistische Parolen. Sie will einen völlig anderen Staat mit einer gestärkten Polizei unter dem Deckmantel eines sicherheitspolitischen Befreiungsschlages (siehe dazu ein Verweis auf die Geschichte), ein anderes Justizsystem und eine Abschottung unseres Landes.
Die AfD träumt von einem sicheren Nationalstaat, in dem unabhängig von allen EU-Bindungen wieder blühende Landschaften entstehen und in dem es keine Klimafolgen gibt, da der menschengemachte Klimawandel ja ohnehin eine einzige große Lüge ist.
Ralf Roschlau
Lauffen am Neckar, den 18.7.2023

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